Was ist passiert?
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) schrieb Betrieb, Wartung und Störungsbeseitigung an Großzelten im offenen Verfahren aus. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Neben anderen Bietern gaben auch die Antragstellerin und die Beigeladene ein Angebot ab. Am 10.06.2022 informierte der AG die Antragstellerin ordnungsgemäß über die vorgesehene Nichtberücksichtigung. Am 20.06.2022 reichte die Antragstellerin um 18:46 Uhr einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein. Den AG setzte sie dabei im Emailverteiler in „cc“. Am 21.06.2022 um 8:44 Uhr übermittelte die Vergabekammer den Schriftsatz gem. §§ 163 Abs. 2 S. 3, 169 Abs. 1 GWB an den AG. Dass der Antrag zeitgleich auch dem AG übermittelt worden war, war dem letzten Absatz seiner Begründung zu entnehmen. Zudem wurde im Schriftsatz ausgeführt, „die gesetzlich vorgegebenen Fristen für die Verlängerung des Zuschlags zu beachten“. Mit Schriftsatz vom 28.06.2022 beantragte der AG als Antragsgegner die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags als unzulässig, weil der Zuschlag am 21.06.2022 bereits um 8:27 Uhr erteilt worden sei. Mit Anwaltsschriftsatz vom 04.07.2022 beantragte die Beigeladene selbst die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags. Zudem beantragte sie, die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären. In der Folge nahm die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag zurück. Die Vergabekammer erlegte der Antragstellerin die notwendigen Auslagen des AG und der Beigeladenen auf und erklärte die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen für notwendig. Gegen die Kostenentscheidung legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein.
Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Über die Notwendigkeit eines Verfahrensbeteiligten, einen Rechtsanwalt zuzuziehen, sei nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden. Entscheidend sei, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falls auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen und hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen.
Von einem Bieter, der als juristischer Laie nicht über vergaberechtlichen Sachverstand verfüge, könne man nicht erwarten, dass er um die Bedeutung eines ihm erteilten Zuschlags für den Nachprüfungsantrag eines Mitbewerbers weiß. Mit einer derartigen Frage sei er bei der zu seinem eigenen Aufgabenkreis gehörenden Angebotsvorbereitung nicht befasst.
Praxishinweis
Erst wenn die Vergabekammer den AG über den Nachprüfungsantrag in Textform informiert, tritt gem. § 169 Abs. 1 GWB das Zuschlagsverbot ein. Verschläft der Bieter die rechtzeitige Stellung des Nachprüfungsantrags, läuft er Gefahr, dass der Auftraggeber vor einer entsprechenden Information der Vergabekammer aber nach Ablauf der Wartefrist den Zuschlag erteilt. Der Auftrag wird für den Bieter dann unerreichbar.
Weitere Informationen
Autor: Dr. Karsten Kayser
Datum: 10.07.2023
Gericht: OLG Düsseldorf
Aktenzeichen: VII-Verg 46/22
Typ: Beschluss