Was ist passiert?
Die Vergabestelle führte ein europaweites Vergabeverfahren zur Lieferung und Montage von Medienversorgungseinheiten und Geräteschienen durch.
Ein Bieter, der sich in seinen Rechten verletzt sah, weil er entsprechend der Mitteilung an unterlegene Bieter nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte und daher den Zuschlag nicht erhalten sollte, hat einen Nachprüfungsantrag gestellt. Diesen Nachprüfungsantrag hat der Bieter eigenhändig unterzeichnet, eingescannt und daraus ein PDF-Dokument erstellt. Dieses PDF-Dokument übermittelte er als E-Mail-Anhang an die Vergabekammer. Die Vergabekammer hat den Antrag am gleichen Tag ausgedruckt und eine Papierakte zu dem Vorgang angelegt.
Die Vergabestelle hat die Auffassung vertreten, der auf diese Weise eingereichte Nachprüfungsantrag unzulässig sei, weil die vorgeschriebene Schriftform nicht erfüllt werde. Der Antrag sei auch nicht unter Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur gemailt worden.
Der Bieter entgegnete, die Einreichung per E-Mail sei mit der Vergabekammer vorab abgestimmt gewesen. Es sei sachlich nicht zu rechtfertigen, die Wiedergabe der Unterschrift in Kopie durch einen unterzeichneten, eingescannten und per E-Mail übermittelten Schriftsatz für eine schriftliche Einreichung nicht ausreichen zu lassen, da der Zugang zur Vergabekammer unzumutbar beeinträchtigt würde.
Die Entscheidung
Der Nachprüfungsantrag war zulässig. Grundsätzlich müsse bei der Einreichung eines Nachprüfungsantrags zwar die Schriftform eingehalten werden, wozu die eigenhändige Unterzeichnung des Bieters bzw. seines Verfahrensbevollmächtigten gehöre. Es seien aber in der Rechtsprechung mittlerweile Ausnahmen zu diesem Grundsatz zugelassen.
Weiterhin gelte zwar, dass die Einreichung eines Nachprüfungsantrags mittels einfacher E-Mail nicht genüge. Erfolge die Einreichung jedoch wie im vorliegenden Fall derart, dass die Vergabekammer den per E-Mail mit Anhang eingereichten Nachprüfungsantrag, der zuvor vom Bieter unterzeichnet und einscannt worden sei, ausdrucke, liege ab diesem Zeitpunkt ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechender Nachprüfungsantrag vor.
Praxistipp
Trotz dieser zu Gunsten des Bieters ergehenden Entscheidung sollten Bieter schriftliche Nachprüfungsanträge postalisch bzw. per Fax oder über ihre Verfahrensbevollmächtigten über das besondere Anwaltspostfach an das Behördenpostfach der Vergabekammer einreichen, zu dessen Vorhaltung Behörden verpflichtet sind. So ist sichergestellt, dass die Schriftform gewahrt bleibt.
Die Einreichung per E-Mail mit dem Nachprüfungsantrag als unterzeichnetes und eingescanntes PDF-Dokument im Anhang kann zwar ausreichen, jedoch erst, wenn die Vergabekammer den Antrag ausdruckt. Dies bietet vor dem Hintergrund, dass E-Mails in Spam-Ordnern landen oder auch mal auf andere Weise, insbesondere wegen urlaubs- und krankheitsbedingter personeller Engpässe, unbearbeitet bleiben können und so Fristen ablaufen können, keine Gewähr für eine schriftliche Einreichung eines Nachprüfungsantrags gemäß § 161 Abs. 1 S. 1 GWB.
Autor
Rechtsanwalt Michael Pilarski, Rechtsanwaltskanzlei Pilarski
Weitere Informationen
Datum: 11.03.2021
Gericht: VK Lüneburg
Aktenzeichen: VgK-8/2021
Typ: Beschluss