Ein Abwasserzweckverband, bestehend aus Verbandsgemeinde und Stadt, betreibt den Ausbau einer Abwasserreinigungsanlage auf dem Gebiet der Verbandsgemeinde. Anfang Juni 2017 veröffentlichte der Abwasserzweckverband als öffentlicher Auftraggeber die beabsichtigte Vergabe auf der Onlineplattform des europäischen Amtsblattes (TED). Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Das Angebot der Bestbieterin und späteren Antragstellerin war im Gesamtpreis völlig unauffällig. Einige Einzelpreise wichen jedoch sowohl von den eigenen Preisen der Bestbieterin zu ähnlichen Positionen als auch von den Preisen der übrigen Bieter ab. Diese Abweichungen waren weder durch einen höheren Leistungsumfang noch durch Marktgegebenheiten oder – besonderheiten zu erklären. Der Auftraggeber forderte daraufhin die Bestbieterin zur Aufklärung auf. Weder die daraufhin von der Bestbieterin vorgelegten Unterlagen noch die nachfolgend durch den Auftraggeber erbetene vollständige Urkalkulation ermöglichten eine Klärung des Sachverhalts. Der Auftraggeber lud die Bestbieterin daraufhin zu einem Bietergespräch zur Aufklärung des Angebotspreises ein. In der Einladung wurden auch die fehlenden Informationen aufgeführt und um Beantwortung der gestellten Fragen unter Fristsetzung gebeten. Die Bieterin reichte daraufhin sieben Aktenordner ein. Die offenen Fragen konnten jedoch auch nicht auf Grundlage der eingereichten Aktenordner abschließend beantwortet werden. Auch das im Nachgang stattfindende Bietergespräch führte zu keiner Klärung der offenen Punkte. Daraufhin teilte der öffentliche Auftraggeber der Bieterin mit, dass ihr Angebot ausgeschlossen worden sei und ein anderes Unternehmen den Zuschlag erhalten wird. Gegen diese Entscheidung hat sich die Bieterin mit einem Nachprüfungsantrag zunächst an die Vergabekammer gewendet. Nach Zurückweisung ihres Antrags hat die Bieterin sofortige Beschwerde beim OLG Koblenz eingereicht.
Zum Urteil des OLG
Ohne Erfolg! Nach Auffassung des Gerichts wurde das Angebot der Antragstellerin und Bestbieterin von dem öffentlichen Auftraggeber zu Recht ausgeschlossen. Eine Beauftragung hätte nur dann erfolgen müssen, wenn das Angebot den Anforderungen insgesamt entsprochen hätte. Dies war nicht der Fall. Die exorbitanten Abweichungen von den eigenen Preisen der Antragstellerin und von den Preisen der Wettbewerber seien nicht erklärbar und konnten vom Auftraggeber nicht ignoriert werden. Der Verdacht einer unzulässigen „Mischkalkulation“ habe sich geradezu aufgedrängt. Auch hätte die Antragstellerin innerhalb der ihr vom öffentlichen Auftraggeber gesetzten Frist die offenen Fragen zur Aufklärung bringen müssen, was nicht geschehen ist. Nach Auffassung des Gerichts reiche dies für den zwingenden Angebotsausschluss gemäß § 15 EU Abs. 2 VOB/A aus. Die Aufklärung nach § 15 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A sei eine Angelegenheit allein zwischen dem Auftraggeber und dem Unternehmen, und zwar innerhalb der vom Auftraggeber festgesetzten Frist. Deshalb seien alle Erklärungsversuche, die sich erstmals in den Schriftsätzen des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin an die Vergabekammer oder den Senat finden, von vorn herein unbeachtlich. Das Verhalten der Antragstellerin im Bietergespräch wertete der Senat darüber hinaus als Eingeständnis einer unzulässigen Mischkalkulation, womit grundsätzlich der Ausschlussgrund der unvollständigen, da inhaltlich unrichtigen Preisangabe nach § 16 EU Abs.1 Nr. 3 VOB/A gegeben sei.
Tipp für die Praxis
Auf zulässige Aufklärungsanfragen des Auftraggebers zum Angebotsinhalt muss ein Bieter immer innerhalb der ihm gesetzten Frist reagieren, um einen Ausschluss seines Angebotes zu vermeiden. Ein späteres Vorbringen der Antworten in anschließenden Rechtsmittelverfahren ist verfristet.
Weitere Informationen
Datum: 04.01.2018
Gericht: OLG Koblenz
Aktenzeichen: Verg 3/17
Typ: Beschluss