Öffentliche Vergabeverfahren sind für Unternehmen aus allen Branchen eine gute Möglichkeit, an lukrative Aufträge zu gelangen. Das Vergaberecht gibt den öffentlichen Auftraggebern aber teilweise sehr strenge Vorgaben an die Hand, um sich von der Eignung der Bieter zu überzeugen. Ein Teil der Prüfung ist das sogenannte Nichtvorliegen von Ausschlussgründen. Daher fordern Vergabestellen regelmäßig Eigenerklärungen an, mit denen das Nichtvorliegen der gesetzlich genannten Ausschlussgründe durch Bieter bestätigt werden soll. Darunter kann auch die Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenz von Unternehmen fallen.
Rechtliche Regelungen und Folgen der (drohenden) Insolvenz?
Sowohl im Oberschwellen- als auch Unterschwellenbereich sehen die Vergabebestimmungen vor, dass Bieter den Nachweis der Eignung sowie das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen insbesondere in Bezug auf die Insolvenz führen müssen, vgl. § 31 UVgO, §§ 123, 124 GWB, § 48 VgV, §§ 6a VOB/A, 6e VOB/A EU.
Grundsätzlich haben die Bieter mit der Abgabe des Angebots anzugeben, ob Sie:
- zahlungsunfähig sind
- ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares gesetzlich geregeltes Verfahren eröffnet wurde,
- die Eröffnung beantragt ist,
- der Antrag mangels Masse abgelehnt wurde oder
- ein Insolvenzplan rechtskräftig bestätigt worden ist.
Ist diese Eigenerklärung zum Nachweis des Nichtvorliegens der Ausschlussgründe von der Vergabestelle gefordert, wird vom Bieter jedoch nicht vorgelegt, so kann sein Angebot grundsätzlich von der Vergabestelle ausgeschlossen werden.
Was ist den Unternehmen bei (drohender) Insolvenz zu raten?
Bietern stellt sich in dieser Situation die Frage, ob sie überhaupt ein Angebot abgeben sollen und ob sich der Aufwand für die Angebotserstellung lohnt. Riskiert man nicht ohnehin den Ausschluss, soweit die Erklärung über das Nichtvorliegen der Gründe im Hinblick auf die Eröffnung oder Beantragung der Insolvenz nicht abgegeben werden kann, ohne die Insolvenz offenzulegen?
Letztendlich muss jeder Bieter diese Frage für sich beantworten. Es ist an dieser Stelle jedoch darauf hinzuweisen, dass die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens bzw. die Tatsache, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmens eröffnet oder beantragt ist oder mangels Masse abgelehnt worden ist, grundsätzlich ein sogenannter fakultativer Ausschlussgrund ist. Das heißt, der öffentliche Auftraggeber kann unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren ausschließen, wenn die genannte Angabe zum Insolvenzverfahren getätigt wird. Aber: er muss nicht! Vielmehr muss er als Auftraggeber sein Ermessen ausüben und stets im konkreten Einzelfall prüfen, ob die Insolvenz die Teilnahme am Vergabeverfahren tatsächlich verhindert.
Aus diesem Grunde ist dem Bieter zu raten, die Insolvenz wahrheitsgemäß offenzulegen und gleichzeitig Gründe darzulegen und zu belegen, aus denen sich ergibt, warum sich in diesem konkreten Einzelfall ergibt, dass der Bieter trotz Insolvenz am Vergabeverfahren teilnehmen sollte und diese den Bieter auch nicht hindert, als späterer Auftragnehmer den Auftrag ordnungsgemäß auszuführen. Auf diese Weise erleichtert er der Vergabestelle seine Ermessensentscheidung.
Aus diesem Grund ist dem Bieter zu raten:
- die Insolvenz wahrheitsgemäß offenzulegen
- gleichzeitig die Gründe darzulegen, warum sie im konkreten Einzelfall trotz Insolvenz am Vergabeverfahren teilnehmen wollen
- die Fakten zu erklären und zu belegen, die sich nicht hindert, als späterer Auftragnehmer den Auftrag ordnungsgemäß auszuführen zu können
Auf diese Weise wird den Vergabestellen ihre Ermessensentscheidung sehr erleichtert.
Fazit:
Sollten Bieter in finanzielle Schieflage geraten sein, indem ein Insolvenzverfahren über ihre Vermögensmasse eröffnet oder der Antrag mangels Masse abgelehnt worden ist, so ist die Chance auf den öffentlichen Auftrag noch nicht verloren. Dem öffentlichen Auftraggeber steht eine Ermessensentscheidung zu, ob er trotz der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, dessen Beantragung oder Ablehnung mangels Masse einen Bieter ausschließt. Er hat im Einzelfall unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob ein Ausschluss angemessen ist, wozu der Bieter ihm vorteilhafte Umstände darlegen sollte. Durch diese Möglichkeit können Bieter sich trotz Insolvenz an öffentlichen Aufträgen unter Umständen sogar „gesund stoßen“.
Als Prüfer, insbesondere der Vergaberechtsstelle, lag sein Schwerpunkt mehrere Jahre in den Bereichen Zuwendungs-, Vergabe- und EU-Beihilfenrecht. Jetzt ist Michael Pilarski als Volljurist in der Rechtsabteilung der NBank in den Bereichen Vergabe-, Vertrags- sowie Auslagerungsmanagement tätig. Darüber hinaus sitzt er der Vergabekammer Niedersachsen bei, ist zugelassener Rechtsanwalt, übernimmt Referententätigkeiten sowie Schulungen im Zuwendungs- und Vergaberecht und ist Autor verschiedener Veröffentlichungen.Homepage: https://www.kanzlei-pilarski.de/de/