Fachbeitrag

Scheitern als Chance? Handlungsoptionen bei fehlgeschlagenen Vergaben

Jeder, der mit Ausschreibungen zu tun hat, weiß, dass diese keinen Selbstzweck darstellen. Das Vergaberecht dient der Beschaffung von Leistungen für die Öffentliche Hand. Ziel eines jeden Vergabeverfahrens ist es daher, einen möglichst wirtschaftlichen Auftrag an einen kompetenten Vertragspartner zu erteilen.

Doch nicht immer führen Vergabeverfahren zu diesem Erfolg. Aus verschiedensten Gründen kann ein Auftraggeber gezwungen sein, ein Vergabeverfahren aufzuheben. Besteht der Beschaffungsbedarf fort, ist zu prüfen, wie dieser gleichwohl befriedigt werden kann.

Keine Pflicht zur Auftragsvergabe

Zunächst ist festzuhalten: Öffentliche Auftraggeber sind genauso wenig wie Private zum Vertragsschluss verpflichtet. § 63 Abs. 1, Satz 2 VgV und 48 Abs. 2 UVgO stellen dies mittlerweile ausdrücklich klar. Vergaberechtlich anerkannte Gründe für eine Verfahrensaufhebung liegen etwa vor, wenn:

  • kein oder kein bezuschlagungsfähiges Angebot eingegangen ist, da entweder Ausschlussgründe vorliegen oder die Angebote unwirtschaftlich sind, oder
  • eine wesentliche Änderung der Verfahrensgrundlagen eine Verfahrensaufhebung rechtfertigen.

Liegt ein derartiger Aufhebungsgrund vor, so löst die Aufhebung des Verfahrens auch keine Schadenersatzansprüche zu Gunsten der Bieter aus.

Die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen zwei Jahre blieben nicht ohne Folgen für das Vergaberecht und haben auch zu einem Anwachsen der Vergabeverfahren geführt, bei denen Aufhebungsgründe vorliegen.

Kein oder kein wertbares Angebot

Aufgrund der hohen Auslastung in vielen Branchen, etwa im Baubereich, können sich Unternehmen mittlerweile aussuchen, ob und an welchen Vergaben sie sich beteiligen. Nicht selten führt dies dazu, dass überhaupt keine Angebote eingehen.

Zudem ist es in den letzten Jahren vermehrt zu beobachten, dass Vergaben kein wirtschaftliches Ergebnis haben, da die eingehenden Angebote auch im Vergleich zu sorgfältig erstellten Kostenschätzungen stark überhöhte Preise ausweisen.

Die aktuellen Preissteigerungen, zunächst ausgelöst durch die gestörten Lieferketten in Folge der Corona-Pandemie und jetzt weiter gestiegen durch die nach oben schnellenden Energiekosten infolge des Ukrainekriegs, führen zu erheblichen Überschreitungen gegenüber den Kostenschätzungen und öffentlichen Budgets.

Änderung der Verfahrensgrundlagen

Auch dieser Sachverhalt tritt in den letzten Jahren häufiger auf. Steigende Energiekosten, erheblich sinkende Steuereinnahmen als Folge der Corona-Pandemie oder auch der Wegfall von Fördermitteln wie zuletzt hinsichtlich der BEG-Förderung durch die KfW können einen Stopp oder auch eine umfassende Neustrukturierung öffentlicher Beschaffungsvorhaben erfordern.

Welche Chancen eine Aufhebung diesbezüglich bietet, lesen Sie im 2. Teil.

Autor

Rechtsanwalt und Partner der Menold Bezler Anwaltskanzlei in Stuttgart. Seit über 15 Jahren berät Dr. Kayser Unternehmen und Vertreter des öffentlichen Sektors zum Vergaberecht, Public Private Partnership, Öffentliches Wirtschaftsrecht und Öffentliches Preisrecht. Er verfügt über besondere Kenntnisse im Bereich des öffentlichen Sektors und ist zugleich als Dozent bei der Württembergischen Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie (VWA) tätig. Er veröffentlicht zahlreiche Fachartikel und vergaberechtliche Publikationen. Homepage: https://www.menoldbezler.de/en/professionals/karsten-kayser

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