Das Vergabeverfahren ist abgeschlossen, der Zuschlag erfolgt – aber trotzdem soll der Preis noch einer weiteren Prüfung unterzogen werden? Wenn das passiert, hat die Vergabestelle Zweifel am Zustandekommen des Marktpreises und ordnet eine sogenannte Preisprüfung an, die viele Unternehmen unvorbereitet trifft und die zu einer Reduzierung der Auftragssumme führen kann.
Die entsprechende Rechtsgrundlage ist das öffentliche Preisrecht mit der Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen (VO PR 30/53), die grundsätzlich für alle öffentlichen Aufträge mit Ausnahme von Bauleistungen (VOB) gilt. Die Prüfungen werden von den Preisüberwachungsbehörden der zuständigen Bezirksregierungen durchgeführt.
Öffentliches Preisrecht und Marktpreis
Nicht jede Ausschreibung führt zu einem Marktpreis. Erste Voraussetzung ist das Vorliegen einer marktgängigen Leistung, die „allgemein im wirtschaftlichen Verkehr hergestellt oder gehandelt wird“. Dies erfordert auf der Angebotsseite mehrere im Wettbewerb stehende Unternehmen und, unabhängig von der aktuellen Ausschreibung, mehrere Nachfrager – vor allem auch private Kunden.
Zweites Kriterium ist die Forderung nach dem Vorliegen eines verkehrsüblichen Preises. Hier kommt es nicht auf den externen Vergleich mit den Wettbewerbern an, sondern auf den Preis, den der Auftragnehmer „allgemein und stetig“, also regelmäßig und in gleicher Höhe, am Markt erzielt hat.
Preisprüfung von Marktpreisen
Gegenstand der Prüfung ist zunächst, ob die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Bei einer Ausschreibung über Lieferung von Brötchen geben mehrere Bieter ihr Angebot ab und kommen in die Wertung. Bieter A erhält den Zuschlag zum Stückpreis von 40 Cent.
Hier liegt zweifelsfrei eine marktgängige Leistung vor. Für die Anerkennung des verkehrsüblichen Preises muss Bieter A dem Preisprüfer nachweisen, dass er tatsächlich genau diese 40 Cent auch außerhalb der Ausschreibung realisiert hat. Sollte er jedoch jenseits des Vergabeverfahrens nur 35 Cent erzielt haben, führt dies zu einer nachträglichen Reduzierung der Auftragssumme.
Selbstkostenpreise
Wenn keine marktgängige Leistung vorliegt, verlangt das Preisrecht die Vereinbarung von Selbstkostenpreisen. Die Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) bestimmen dann, welche Kostenbestandteile anerkannt werden können. Das Ergebnis der Preisprüfung kann nur eine Bestätigung oder Reduzierung der Auftragssumme ergeben – eine nachträgliche Erhöhung ist wegen der vertraglichen Höchstbegrenzung ausgeschlossen.
Gefahren und Vorsorge
Durchschnittlich jede dritte Preisprüfung führt zu einer Rückzahlungsverpflichtung für die Auftragnehmer. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, sich mit dem öffentlichen Preisrecht und dessen Risiken und Chancen vertraut zu machen. Dann ist es möglich, bereits beim Angebot die richtigen Weichen zu stellen, damit sich aus einer späteren Preisprüfung kein böses Erwachen ergibt.
Michael Singer ist seit 1988 ausführlich mit der Thematik „Öffentliches Preisrecht und Preisprüfungen“ beschäftigt. Er berät Unternehmen vor Preisprüfungen und auf dem Weg zu prüfsicheren öffentlichen Aufträgen (www.singer-preispruefung.de). Außerdem veranstaltet er praxisorientierte Seminare zur Einführung in das öffentliche Preisrecht und veröffentlicht regelmäßig einschlägige Fachbeiträge.