Rote Matroschka-Puppen, eine durchgestrichen – symbolisiert Nebenangebote ohne Hauptangebot im öffentlichen Vergabeverfahren.
Fachbeitrag

Nebenangebot ohne Hauptangebot

Bei Vergabeverfahren gemäß VOB/A sind unterhalb des Schwellenwerts Nebenangebote zugelassen (§ 8 Abs. 2 Nr. 3), wenn sie der Auftraggeber nicht ausdrücklich in Bekanntmachung oder Vergabeunterlagen ausgeschlossen hat. Ausnahmsweise kann der Auftraggeber festlegen, dass Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen sein sollen. Das heißt in der Regel können Bieter Nebenangebote auch ohne Hauptangebot abgeben, auch wenn der Begriff Nebenangebote anderes erwarten ließe.

Ausnahme: Nebenangebot nur mit Hauptangebot zulässig

Oberhalb des Schwellenwertes sieht die Situation anders aus: Hier können Nebenangebote nur abgegeben werden, wenn der Auftraggeber in der Bekanntmachung dies zulässt, auch in diesem Fall soll es die Ausnahme sein, dass Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot abgegeben werden dürfen. Gewertet werden dürfen bei Ausschreibungen oberhalb der Schwellenwerte Nebenangebote im Übrigen nur, wenn die Ausschreibung Mindestanforderungen an Nebenangebote enthält (§ 8 EG Abs 2 Nr. 3).

Wichtig: Gesetzlich definiert ist der Begriff Nebenangebot nicht. Um ein Nebenangebot handelt es sich in der Praxis aber nur, wenn das Angebot tatsächlich von der Leistungsbeschreibung abweicht („Änderungsvorschlag“) und sich nicht innerhalb des Spielraums bewegt, den der Auftraggeber für die Auftragserfüllung eröffnet.

 

Innovation befördern?

Der Sinn und Zweck von Nebenangeboten besteht gerade darin, alternative, in technischer oder wirtschaftlicher Hinsicht innovative Lösungsvarianten zur in den Vergabeunterlagen enthaltenen Leistungsbeschreibung aufzutun. Enthält ein Nebenangebot keine Abweichung welcher Art auch immer, ist es wie ein Hauptangebot zu werten.

Nur ein Nebenangebot mit einer innovativen Lösung abzugeben, ist aus Sicht des Bieters nur dann ein Risiko, wenn er ein besonders wettbewerbsfähiges Hauptangebot abgeben hätte können, zumal sich die ausschreibende Stelle eine völlig andere, wenn auch nachweislich gleichwertige Lösung keineswegs „aufdrängen“ lassen muss. Die Zulassung von Nebenangeboten, ohne dass ein Hauptangebot abgegeben wird, soll den Auftraggebern aber die Chance eröffnen, dass auch spezialisierte Unternehmen, die die eingeführte Standardlösung nicht im Portfolio haben, als Bieter auftreten und neuartige, innovativere Verfahren, Materialien, oder Vertragsbedingungen offerieren. Das erhöhte Risiko, das mit einer noch nicht oder kaum in der Praxis erprobten Lösung einhergeht, trägt allerdings der Auftragnehmer.

Neben- ohne Hauptangebot – selten

Jedenfalls in seiner Praxis, so Michael Kordon, Amtsleiter des Staatlichen Bauamts Weilheim und Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, gibt es am ehesten noch Änderungsvorschläge zu Teilen einer ausgeschriebenen Leistung, kaum einmal ein Nebenangebot im Sinne einer vollständigen Alternativlösung, gar ohne ein Hauptangebot. Warum sollte ein Unternehmen, dem mit der Ausschreibung eine ausgearbeitete Planung vorliegt, zumal unter Zeitdruck, eine neuartige Alternative – die auch preislich wettbewerbsfähig und deren Gleichwertigkeit im Zeitpunkt der Angebotsabgabe überzeugend dargelegt sein muss – entwickeln und durchkalkulieren?

Autor

Promotion in Politikwissenschaften. Ressortleiterin (Print, Web) bei der Bayerischen Staatszeitung, u.a. verantwortlich für den Bereich Planen & Bauen, Ausschreibung & Vergabe. Heute freiberufliche Beratungstätigkeit im Bereich Marketing & Kommunikation (online, offline, multimedial), Öffentlichkeitsarbeit & PR, Messe- & Eventmanagement.

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