Kind schreibt komplexe mathematische Formeln an eine grüne Wand, während ein Erwachsener im Hintergrund arbeitet – Symbol für Kompetenz und Anforderungen.
Fachbeitrag

Eignungsnachweis und Erklärungen

Zahlen Sie Tariflohn sowie sämtliche Sozialabgaben für Ihre Beschäftigten? Haben Sie Ihr Gewerbe ordnungsgemäß angemeldet? Läuft auch kein Insolvenzverfahren? Fördern Sie Frauen? Bekämpfen Sie Kinderarbeit und bilden Sie Nachwuchskräfte aus? Können Sie ein Qualitäts- und/oder ein Umweltmanagementsystem nachweisen und außerdem einschlägige Versicherungen und Mitgliedschaften beispielsweise bei der Berufsgenossenschaft?

Vergabeunterlagen und damit verbunden abzugebende Angebote sind in der Regel ziemlich umfangreich, u.a. ist die Liste der vorzulegenden Eignungsnachweise und Erklärungen oft recht lang; vielfach werden sie immerhin in einer Eigenerklärungsvorlage zusammengefasst, die sehr viele Punkte enthalten kann.

Eignungsnachweis für den ausgeschriebenen Auftrag

Hierbei geht es darum, sicherzustellen, dass der Bieter die für die Erfüllung des konkret ausgeschriebenen Auftrags erforderliche rechtliche und wirtschaftliche Zuverlässigkeit sowie Leistungsfähigkeit und Fachkunde mitbringt (GWB §97 Abs.4). Aber auch „strategische“, also ökologische, soziale, innovative Aspekte können inzwischen im Ausschreibungs- und Vergabeverfahren einbezogen werden (GWB §97 Abs.3).

Das heißt, eine öffentliche Vergabestelle muss für den betreffenden Auftrag die grundsätzliche Eignung des einzelnen Bieters feststellen, und zwar auch wenn dieser auf Grund früherer Aufträge „bekannt und bewährt“ ist. Durch die Eignungsprüfung muss sie – nachvollziehbar – sicherstellen, dass ein potenzieller Auftragnehmer auf Grund seiner wirtschaftlichen Situation – abgefragt werden oft für die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre Gesamtumsatz bzw. Umsatz mit der für die Ausschreibung relevanten Leistungsart – und seines bisherigen geschäftlichen Verhaltens den Auftrag übernehmen und ausführen kann.

Transparenz geschaffen werden muss ebenso über die für den Auftrag einschlägigen, belegbaren Erfahrungen, Fähigkeiten und Ressourcen, auf Grund derer der Bieter geeignet erscheint und erwarten lässt, dass er im Falle einer Auftragsvergabe die ausgeschriebenen Leistungen vertragsgerecht erbringen werde.

 

Nachweisauflistung in der Bekanntmachung

Die dafür verlangten Erklärungen und/oder Nachweise werden nicht nur in den Vergabeunterlagen benannt  und in der Regel mit Hilfe entsprechender Vorlagen bzw. Formularen abgefragt, sondern bereits in der Bekanntmachung aufgelistet.

Das hat seinen Grund: Sichtet ein potenzieller Bieter die (knappe) Bekanntmachung, kann er schon anhand der Eignungsvoraussetzungen erkennen, ob er zumindest die formalen Hürden überwindet und es überhaupt Sinn macht, die Vergabeunterlagen, etwa über Vergabe24, anzufordern oder herunterzuladen und ggf. auszudrucken. Und stellt er fest, dass geforderte Belege zwar möglich sind, aber noch nicht im Haus vorliegen, bleibt Zeit, diese zu beschaffen.

Öffentliche Auftraggeber sollen sich in der Regel auf Eigenerklärungen der Bieter stützen (UVgO § 35(2)). Wo sie diese für nicht ausreichend erachten und Nachweise fordern, haben sie in der Vergabedokumentation die Begründung dafür niederzulegen. Wo möglich, sollen Eignungskriterien die Voraussetzungen von kleinen Unternehmen berücksichtigen (GWB § 97 Abs. 4).

Referenzen überprüfen

Die Vergabestelle prüft die Fachkunde eines Unternehmens u.a., indem es sich vor allem auftragsbezogen einschlägige Referenzen aus den letzten drei Jahren mit Angabe des Auftragsvolumens, des Leistungszeitraums sowie des Auftraggebers vorlegen lässt. Dazu gehören zudem Kontaktdaten für direkte Nachfragen; werden diese genutzt und Referenzgeber „abgefragt“, hat diese Abfrage systematisch zu erfolgen und muss dokumentiert werden. Abgesehen von den Referenzen kann zur Fachkundeprüfung, abhängig vom Auftrag, beispielsweise ein Nachweis über die Verfügbarkeit entsprechend qualifizierten Personals oder der technischen Ausrüstung verlangt werden.

Legt ein Bieter eine Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE)  vor (VgV §50) (ab 18.10.2018 vollelektronisch im Oberschwellenbereich), muss die Vergabestelle diese als Nachweis akzeptieren, wenn die EEE vollständig ist. Vom Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot werden dann die Eignungsnachweise für die konkrete Eignungsprüfung angefordert. Im Bereich der UVgO (§35 (3)) kann die Vergabestelle die Vorlage einer EEE als vorläufigen Beleg von Eignung und Nichtvorliegen von Ausschlussgründen verlangen, ggf. mit digitaler Signatur.

Wichtig für die Vergabestelle: Verlangt sie verbindlich bestimmte Eignungsnachweise und Erklärungen, darf sie Angebote, bei denen diese fehlen und auf Anforderung hin auch nicht fristgerecht nachgereicht werden, nicht in die Wertung einbeziehen.

Autor

Promotion in Politikwissenschaften. Ressortleiterin (Print, Web) bei der Bayerischen Staatszeitung, u.a. verantwortlich für den Bereich Planen & Bauen, Ausschreibung & Vergabe. Heute freiberufliche Beratungstätigkeit im Bereich Marketing & Kommunikation (online, offline, multimedial), Öffentlichkeitsarbeit & PR, Messe- & Eventmanagement.

Wissen

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren

25.10.2024 | Fachbeitrag

De-Facto-Vergabe: So können sich Bieter wehren

Bei einer De-Facto-Vergabe wird ein öffentlicher Auftrag ohne vorheriges Vergabeverfahren direkt vergeben. Das ist nicht erlaubt. So können Sie sich wehren.
Mehr erfahren
07.10.2024 | Fachbeitrag

6 Tipps, um passende Vergaben auszuwählen

Mit strukturierten Teilnahme-Entscheidungen konzentrieren Sie Ihre Kraft auf Ausschreibungen, bei denen sich die Teilnahme lohnt und erhöhen unmittelbar Ihre Gewinnchancen.
Mehr erfahren
22.08.2024 | Fachbeitrag

Preisrecht und Preisprüfung

Nicht jede Ausschreibung führt zu einem Marktpreis – entscheidend sind die Regelungen des öffentlichen Preisrechts.
Mehr erfahren
09.07.2024 | Fachbeitrag

So vermeiden Sie eine Rechnungskürzung!

Zweifel an fairen Preisen? Öffentliche Auftraggeber können Preisprüfungen beantragen, die oft zu Auftragskürzungen führen. Erfahren Sie, wie Sie sich davor schützen können!
Mehr erfahren
20.05.2024 | Fachbeitrag

Rechtsgrundlagen zur Aufhebung öffentlicher Ausschreibungen

Aufhebung von Vergabeverfahren: Wann sie möglich ist und was Bieter wissen müssen.
Mehr erfahren
23.04.2024 | Fachbeitrag

Eigenerklärungen, EEE, Präqualifikation und Besonderheiten bei zweistufigen Verfahren (Teil 2)

Optimieren Sie Ihre Vergabeerfolge: Umfassender Guide zu EEE, Präqualifikation und strategischer Nutzung von Eigenerklärungen im Vergaberecht
Mehr erfahren
26.03.2024 | Fachbeitrag

Nachweise zur Leistungsfähigkeit, Referenzen und Besonderheiten für Start-ups (Teil 1)

Erfahren Sie, wie Sie die Eignungsprüfung für öffentliche Aufträge meistern. Schlüsselkriterien und Tipps für den Erfolg in Vergabeverfahren
Mehr erfahren
19.02.2024 | Fachbeitrag

Die rechtssichere Baudokumentation: Must-Have für jedes Bauprojekt!

Warum eine umfassende Baudokumentation in Bauprojekten unverzichtbar ist und wie sie rechtssichere Abrechnungen und erfolgreiche Projekte sichert
Mehr erfahren
19.01.2024 | Fachbeitrag

eRechnung: Pflicht soll auch im B2B schnell kommen!

In Deutschland soll es ab 2025 im B2B-Geschäft nur noch eRechnungen geben. Lesen Sie jetzt, was das konkret bedeutet, wer davon betroffen ist und was sie tun müssen.
Mehr erfahren
29.11.2023 | Fachbeitrag

Zukunftstrends bei öffentlichen Ausschreibungen

Welche Entwicklungen gibt es im öffentlichen Auftragswesen? Welchen Einfluss haben Digitalisierung, Nachhaltigkeitsaspekte und Gesetzgebung?
Mehr erfahren
Zum Wissensbereich