Fachbeitrag

Das unbekannte Risiko: Bauhandwerkersicherung

Die Bauhandwerkersicherung sorgt immer wieder für Überraschungen. Aus Sicht des Auftraggebers besteht hier ein sehr hohes Risiko. Insbesondere wenn sich Streit mit dem Auftragnehmer abzeichnet, sollte der Auftraggeber vorbereitet sein, um notfalls kurzfristig eine Bauhandwerkersicherung übergeben zu können. Sonst kann der Auftragnehmer die Leistungen berechtigterweise einstellen oder auch den Vertrag kündigen. Und dann kommt es auf die vielen anderen Streitpunkte, die es üblicherweise am Bau gibt (strittige Nachträge, Mängel, berechtigte und unberechtigte Behinderungsanzeigen usw.) nicht mehr an.

Was ist eine Bauhandwerkersicherung und wer hat darauf Anspruch?

Die Bauhandwerkersicherung ist ein scharfes Schwert der Auftragnehmer (AN). Sie können damit in kurzer Zeit ein rechtssicheres Leistungsverweigerungsrecht und ein Recht zur Kündigung des Bauvertrags herbeiführen. Viele Auftraggeber (AG) übersehen diese Gefahr und erkennen die Brisanz erst, wenn es zu spät ist.

Die Bauhandwerkersicherung ist in § 650f BGB geregelt. Sie ermöglicht es dem Auftragnehmer, von dem Auftraggeber eine Sicherheit für ihre Vergütung zu verlangen. Anspruchsberechtigt sind auch die Architekten und Ingenieure (§ 650q Abs. 1 BGB i. V. m. § 650f BGB).

Die Art der Sicherheit kann sich der Auftraggeber aussuchen. Üblich sind die Hinterlegung auf einem Hinterlegungskonto bei dem zuständigen Amtsgericht oder eine Bankbürgschaft, die den Anforderungen des § 650f Abs. 2 BGB entsprechen muss.

Der Anspruch auf die Sicherung besteht unmittelbar mit Abschluss des Bauvertrages. Es kommt nicht darauf an, ob die Bauleistungen bereits ausgeführt sind oder noch ausgeführt werden müssen.

Die Höhe der Sicherheit beläuft sich auf die gesamte Vergütung zzgl. einer Pauschale für Nebenforderungen in Höhe von 10 %. Lediglich die bereits bezahlten Abschläge müssen abgezogen werden.

Ein Beispiel: Vereinbarte Vergütung: EUR 100.000,00. Davon bereits abgerechnet und vom AG bezahlt: EUR 30.000,00. Offene Vergütung: EUR 70.000,00. Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherung: EUR 77.000,00. Bei der Berechnung der Anspruchshöhe sollten strittige Nachträge vorsichtshalber unberücksichtigt bleiben. Auf den Bautenstand kommt es, wie gesagt, nicht an. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Auftraggeber Mängel behauptet (§ 650f Abs. 1 S. 4 BGB). Die Frage, ob die Leistungen bereits abgenommen wurden oder nicht, spielt ebenfalls keine Rolle (§ 650f Abs. 1 S. 3 BGB). Es spielt auch keine Rolle, ob man sich streitet und der Auftraggeber beispielsweise den Vertrag schon außerordentlich gekündigt hat (BGH NJW-Spezial 2014, 332).

Gibt es Ausnahmen?

Eine Ausnahme vom Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherung besteht, wenn es sich bei dem Auftraggeber um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt: Bundesrepublik, Bundesländer, Landkreise, Städte und Gemeinden, Abwasserzweckverbände und sog. Eigenbetriebe der Landkreise, Städte und der Gemeinden. Auch bei Verbraucherbauverträgen und Bauträgerverträgen kann keine Bauhandwerkersicherung verlangt werden.

Mögliche Stolperfallen

Die Anforderung einer Bauhandwerkersicherung durch den Auftragnehmer erscheint auf dem ersten Blick nicht besonders brisant zu sein. Viele Auftraggeber übersehen jedoch die Gefahr.

Unternehmen der öffentlichen Hand, die in privater Rechtsform organisiert sind

Stadtwerke GmbH, Städtische Wohnungsbaugesellschaft mbH, Verkehrsbetriebe AG, Theaterspielstätten gGmbH usw. sind keine juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Sie müssen daher eine Bauhandwerkersicherung beistellen, wenn sie vom Auftragnehmer gefordert wird.

Fristen

Der Auftragnehmer muss dem Auftraggeber eine angemessene Frist zur Vorlage der Bauhandwerkersicherung setzen. Angemessen ist eine Frist von 7 bis 10 Werktagen. Das gilt auch bei großen Bauvorhaben.

Viele Auftraggeber empfinden diesen Zeitraum als zu kurz. Wenn man als Bauhandwerkersicherung bspw. eine Bankbürgschaft übergeben möchte, dann kann es passieren, dass die Bearbeitungszeiten bei der Bank zu lang sind, um innerhalb von 7 bis 10 Tagen eine Sicherheit übergeben zu können. Aber das spielt keine Rolle. Der Gesetzgeber hat schon in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass die Auftraggeber bei Abschluss des Bauvertrages darauf vorbereitet sein müssen.

Leistungsverweigerung oder Kündigung

Bei der Fristsetzung muss der Auftragnehmer nicht auf sein Leistungsverweigerungsrecht hinweisen oder die Kündigung androhen, für den Fall, dass die Frist nicht eingehalten wird. Läuft die Frist ab, ohne dass der Auftraggeber die Bauhandwerkersicherung beistellt, kann er sofort seine Leistungen einstellen oder den Vertrag kündigen (§ 650f Abs. 5 S. 1 BGB).

Gründe für die Anforderung

Vielen Auftragnehmern geht es bei der Anforderung einer Bauhandwerkersicherung gar nicht darum, eine Sicherheit für ihre Vergütung zu erhalten. Vielmehr verfolgen sie das Ziel, ein Leistungsverweigerungsrecht herbeizuführen oder für sich die Möglichkeit einer Kündigung zu schaffen. Doch die Motivation der Auftragsnehmer ist nicht entscheidend. Der Auftraggeber muss trotzdem eine Bauhandwerkersicherung beistellen (OLG Düsseldorf BauR 2020, 270, BGH NJW-Spezial 2018, 45; OLG Dresden NJW 2015, 2817).

Weitere Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherung gibt es nicht. Es spielt deswegen keine Rolle, ob der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Vertragserfüllungssicherheit und / oder eine Gewährleistungssicherheit übergeben hat oder was zur Frage einer Bauhandwerkersicherheit im Vertrag steht. Denn die Regelungen über die Bauhandwerkersicherung sind unabdingbar (§ 650f Abs. 7 BGB).

Autor

Volker Schmidt ist der Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht , Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Herr Schmidt, Jahrgang 1981, geboren in Großröhrsdorf (Sachsen), ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und für Verwaltungsrecht. In diesen Rechtsgebieten vertritt und berät er öffentliche und private Auftraggeber, Bauunternehmen sowie Architektur- und Ingenieurbüros. Herr Schmidt ist Vorsitzender des Eintragungsausschusses der Architektenkammer Sachsen. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge zu verschiedenen Themen des Bau- und Architektenrechts. Herr Schmidt ist Mitarbeiter der Kommentierung zum Bauvertrag, zum Nachunternehmervertrag und zum Architektenvertrag in „Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke“ von F. Graf von Westphalen. In den vergangenen Jahren hat Herr Schmidt bundesweit über 300 Seminare zum Baurecht, zum Vergaberecht sowie zum Architekten- und Ingenieurrecht als Inhouse-Veranstaltungen und für diverse Seminaranbieter gehalten. Homepage: https://khg-dresden.com/

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